Diskriminierung: Unterschiedlicher Mindestlohn, Witwenrente nicht für deutliche jüngere Ehefrauen

Diskriminierung ist Alltag in Deutschland. Auch der Gesetzgeber ignoriert den Grundsatz "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." (Grundgesetz, Artikel 3). Da wird Mindestlohn für zahlreiche Berufe unterschiedlich festgelegt. Nur um ein Beispiel zu nennen.

2017 kostete in Deutschland eine Arbeitsstunde durchschnittlich 34,50 Euro — 31 Prozent mehr als der EU-Durchschnitt von 26,30 Euro. Innerhalb der EU liegt Deutschland damit auf Platz 6. Die höchsten Arbeitskosten hatte Dänemark und die niedrigsten Bulgarien. Dabei wurden Arbeitsplätze in der Industrie sowie in wirtschaftlichen Dienstleistungen berücksichtigt. Den Arbeitnehmer dagegen speist man mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro ab. Die Manager und Politiker kassieren dagegen schwindelrregende Summen plus Pensionen.

Unterschiedlicher Mindestlohn für Alle

Seit der Einführung des Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1. Dezember 2015 hat sich dieser in vielen Berufen unterschiedlich entwickelt. Während vielen — z.B. Auszubildenden — gar kein Mindestlohn zugesprochen wurden, haben Berufe wie Pflege sich viel stärker entwickelt wie andere. Wie passt das mit dem Gleichheitsgebot zusammen?

Im Februar 2018 billigte die Bundesregierung eine Erhöhung des Mindestlohn von Gebäudereiniger und Dachdecker. Der Mindestlohn in Westdeutschland stieg der Mindestlohn der Gebäudereiniger von 10,00 auf 10,30 Euro. In Ostdeutschland stieg der Stundenlohn von 9,05 auf 9,55 Euro. Gelernte Dachdecker bekommen nun statt 12,25 euro mindestens 12,90 Euro.

Mindestlohn bei Auszubildenden

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) lehnte im November 2018 den Vorschlag der SPD (Olaf Scholz und Hubertus Heil), den Mindestlohn auf 12 Euro zu steigern ab.

Im Juli 2018 meldete das Handelsblatt, dass sich die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD auf einen Mindestlohn bei Ausbildende geeinigt hätten. Ziel sei es, die Berufsausbildung attraktiver zu machen. In den Betrieben seien Zehntausende Lehrstellen nicht besetzt. Eingeführt werden soll der Mindestlohn bis August 2019 und ab 1. Januar 2020 gelten. Ob es der normale Mindestlohn sein wird oder ob der Mindestlohn für Auszubildende anders sein wird, ist noch nicht bekannt.

Das Handwerk lehnt den Vorschlag, Auszubildenden Mindestlohn zu zahlen, ab. Gewerkschaften und Opposition machen die oft geringen Vergütungen dafür verantwortlich, dass mehr als jeder vierte Auszubildende sich eine Ausbildung nicht mehr leisten könne, weil das Geld nicht für Miete, Auto und Lebensunterhalt reicht. Wirtschaftsverbände lehnen den Mindestlohn für Auszubildende ebenfalls ab, weil diese keine vollen Arbeitskräfte seien. Die Lehrlingsvergütung sei allenfalls ein Zuschuss zum Lebensunterhalt.

Auch Handwerkspräsident Hans-Peter Wollseifer lehnt eine angemessene Bezahlung von Auszubildenenden ab: "Eine Mindestvergütung ist ja eine gesetzliche Regelung, und das präferieren wir nicht". Das Handwerk will offenbar weiter an der Haltung von Auszubildenden zu eigenen Bedingungen festhalten. Eine Art moderner Sklaven.

Zum 1.1.2019 steigt der Mindestlohn für Steuerzahler auf 9,19 Euro pro Stunde. Ab 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro. Kein Recht auf Mindestlohn haben Auszubildende, Pflichtpraktika oder Praktika. Auch nicht für Langzeitarbeitslose nach Aufnahme einer Arbeit in den ersten sechs Monaten. Auch nicht für Ferien- und Ausbilfsjobs von Schüler.

Besonders schlimm sieht es bei Ausbildungen zum Erzieher (Kindergärtner) aus. Dort werden nicht einmal jeder fünfte Auszubildende bezahlt. Teilweise muss er sogar noch Schulgeld bezahlen.

Der Mindestlohn gilt nicht für Angestellte im öffentlichen Dienst, Beamte oder Politiker, deren Zahlungen liegen weit darüber.

Witwenrente nicht für deutlich jüngere Ehefrauen

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied im Februar 2018, dass Arbeitgeber bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung (Witwenrente) nicht zahlen müssen, wenn der Ehepartner deutlich jünger ist als der Verstorbene. Im verhandelten Fall wurde einer Frau die Zahlung verweigert, weil sie mehr als 15 Jahre jünger ist als ihr verstorbener Ehemann.

In der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung wurden Zahlungen ausgeschlossen, wenn die Ehefrau nicht mehr als 15 Jahre jünger sein dürfe. Im verhandelten Fall waren es 18 Jahre.

Die Richter erlaubten diese Diskriminierung mit der Begründung: "Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Vorsorgeberechtigten verbringt." Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz liege nicht vor.

Entsprechende Klauseln zum Altersunterschied bei Witwenrente sei durchaus üblich. Weitere Fallstricke sind zum Beispiel, wie lange man vor dem Tod des Partners verheiratet gewesen sein muss. In Deutschland beziehen nach Angaben der Bundesregierung 14 Prozent aller Witwen ab 65 Jahre eine Hinterbliebenen-Rente der betrieblichen Altersversorgung.

Vorsicht bei der Formulierung von Stellenanzeigen

Wenn eine Firma in Deutschland nur "Mitarbeiter zwischen 25 und 35 Jahren" sucht, können gescheiterte Bewerber klagen — sogar, wenn niemand eingestellt wurde, entschied das Bundesarbeitsgericht.

Das Bundesarbeitsgericht verhandelte den Fall eines Unternehmens, das 2009 per Stellenanzeige zwei IT-Mitarbeiter "im Alter zwischen 25 und 35 Jahren" gesucht hatte. Ein älterer IT-Spezialist bewarb sich, erhielt aber keine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Trotz Gesprächen mit anderen Kandidaten verzichtete die Firma am Ende auf die Besetzung der Stellen.

Der ältere IT-Spezialist klagte auf Entschädigung von rund 26.000 Euro. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage mit der Begründung ab, das die Firma gar nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen können, weil kein anderer oder jüngerer Bewerber eingestellt wurde. Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache anders. Es liege schon eine Diskriminierung vor, wenn gar kein Bewerber eingestellt wurde. Deshalb kommt eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Betracht.

Das Landesarbeitsgericht muss nun neu entscheiden, ob der Kläger für den Job geeignet war oder aufgrund seines Alters nicht genommen wurde (Aktenzeichen 8 AZR 285/11).

Die Klage des 59-jährigen Bilanzbuchhalters dagegen wurde zurückgewiesen, weil er sich auf die Stellenanzeige auf einen "zukunftssicheren Arbeitsplatz in einem jungen motivierten Team" bewarb, aber nicht genommen wurde. Der Kläger war der Meinung, mit der Stellenanzeige seien ältere Bewerber ausgeschlossen. Er forderte eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern, mindestens 7.500 Euro. Aus Sicht des Gerichts, sei die Formulierung des "Jungen Team" lediglich eine Selbstdarstellung (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Aktenzeichen 2 Sa 574/11),