Grenzwissenschaften: Was bedeutet Paranormal oder übersinnlich?

Jugendliche und Esoteriker im Bereich Grenzwissenschaften verwenden oft den Begriff "Paranormal". Doch was bedeutet Paranormal oder Paranormal zu sein oder Paranormale Fähigkeiten zu haben? Wir klären auf.

Paranormal

Eines vorweg: Es gibt keine einheitliche Begriffsdefition von Paranormal. Er wird sehr vielfältig verwendet. Doch beginnen wir am Anfang.

Paranormal als Adjektiv, substantiviert Paranormalität, im übertragenen Sinne etwa "gegen", "wider", "im Vergleich mit" oder "neben" bezeichnet etwas nicht auf natürliche Weise Erklärbares oder übersinnliches.

Die Parapsychologie befasst sich mit der Erforschung putativ paranormaler Phänomene (Psi-Phänomene).

Paranormale überzeugung

In einer britischen Umfrage von 2007 mit 1.005 Befragten glauben,

Erkläung für Paranormale Erlebnisse

Paranormalen Überzeugungen rühren nicht zwangsläufig aus als paranormal erlebten Ereignissen. Beispielsweise gaben von den oben genannten 38 % wiederum nur etwa ein Drittel an, auch einen Geist gesehen zu haben. Auf Grund der Unvereinbarkeit mit den empirisch prüfbaren und in der Gesellschaft mehrheitlich akzeptierten Fakten, sind paranormale Überzeugungen (paranormal beliefs) in der Allgemeinbevölkerung als Fehlwahrnehmungen oder Fehlbeurteilungen der Wirklichkeit zu sehen. Das heißt, diese Überzeugungen werden weitgehend als Reaktion auf emotionale Bedürfnisse generiert und nicht einer rationalen Bewertung durch einen Abgleich mit der Realität unterzogen.

Interpretation paranormaler Erlebnisse

Es kann unterschieden werden zwischen einer ungewöhnlichen, sog. anormalen Erfahrung oder paranormalen Erlebnis (z. B. "ich hatte den Eindruck einer Gestalt in der Nähe, obwohl dort niemand gewesen sein kann") und der Interpretation dieser Erfahrung als paranormal. So können Personen, die eine anormale Erfahrungen gemacht haben, dafür eine nichtparanormale Erklärung geben ("mir haben meine Sinne einen Streich gespielt") oder eine paranormale Erklärung ("ich habe einen Geist wahrgenommen"). In einer Studie mit 307 Teilnehmern berichteten fast alle (306) mindestens eine anormale Erfahrung gemacht zu haben. Als paranormal interpretierten mindestens eine Erfahrung aber nur 47 Teilnehmer (15%).

Die betreffenden Personen zeichnen sich durch bestimmte Merkmale aus. Sowohl die Anfälligkeit zu anormalen Erfahrungen als auch die Anfälligkeit zu paranormalen Interpretationen sind jeweils korreliert mit dem Symptom Ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen der Schizotypie, mit der Tendenz zu emotionaler Beweisführung und mit der Tendenz Gedanken und Gefühle nicht anhand der Realität zu überprüfen. Allerdings ist nur die Anfälligkeit für paranormale Interpretationen assoziiert mit einer gering ausgeprägten Selbstregulation.

Paranormologie

Paranormologie (altgr. para "neben", lat. norma "Norm" und altgr. logos "Rede, Wort") wurde 1969 von Andreas Resch zur Bezeichnung jener Grenzgebiete der Wissenschaft eingeführt, deren Verlaufsstrukturen von den bekannten Naturprozessen bzw. den anerkannten Vorstellungsmustern der Deutung von Welt und Mensch abweichen oder abzuweichen scheinen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die zugehörigen Phänomene als Paranorma oder auch Psi-Phänomene bezeichnet und dem Gebiet der Parapsychologie zugewiesen, obwohl Psi-Phänomene nur eine Teilmenge der Phänomene darstellen.

Resch zählt zahlreiche esoterische und nicht-wissenschaftliche Lehren auf, die "paranormale" Phänomene zu erklären suchen: (alphabetisch) Alchemie, Bardo Thödröl, Esoterik, Gnosis, Gral, I Ging, Kabbala, Kahuna (Huna), Kundalini, Mysterien, Mythologien, New Age, Numerologie, Okkultismus, Runen, Satanismus, Spiritismus, Tarot, Theosophie, Anthroposophie usw. Resch gliedert die Phänomene in die Sachgebiete Paraphysik, Parabiologie, Parapsychologie und Parapneumatologie (Pneuma = Geist).

Dabei zählen zu den jeweiligen Gebieten all jene spontanen und nicht spontanen Phänomene, die einen entsprechenden Aspekt aufweisen und deren Ursachen noch völlig unbekannt sind. Auf dieser Grundlage werden verschiedene esoterische und parapsychologische Begriffe in diese Sachgebiete klassifiziert. Zur Parapneumatologie gehören schließlich all jene Phänomene, die sich nicht in die anderen Kategorien einordnen lassen.

Paranormal: Außersinnliche Wahrnehmung (ASW)

Außersinnliche Wahrnehmungen (Abk. ASW; englisch extrasensory perception, Abk. ESP) ist ein Sammelbegriff für eine hypothetische Art von Wahrnehmungen, die nicht durch bekannte sinnliche Erfahrungen, Wahrnehmungen oder Wissensquellen erklärbar — daher paranormal — sind. Es gibt keine wissenschaftlich bestätigten Nachweise für solche Wahrnehmungen.

Die Wissenschaftsgemeinde lehnt ASW überwiegend ab. Gründe hierfür sind der Mangel einer evidenzbasierenden Faktenbasis und der Mangel einer Theorie, die ASW erklären könnte.

Im Science-Fiction-Bereich werden Personen mit einer solchen Wahrnehmung als Esper bezeichnet.

Paranormal: Arten

Die Parapsychologie unterscheidet drei Modalitäten der außersinnlichen Wahrnehmung:

→ Telepathie: Übertragungen von Informationen zwischen Lebewesen ohne Beteiligung der bekannten Sinneskanäle

→ Hellsehen (oder seltener Clairvoyance): außersinnliche Wahrnehmung eines gleichzeitigen Ereignisses

→ Präkognition: die Erfahrung von zukünftigen Ereignissen (im Rahmen von Sekunden bis zu Jahren)

Die auditive Form des Hellsehens ist das Hellhören, die außersinnliche Wahrnehmung von Worten oder Geräuschen ohne objektives akustisches Ereignis. Die in die Vergangenheit gerichtete Form der Präkognition ist die Retrokognition, das außersinnliche Erfahren eines vergangenen Geschehens.

Paranormale, d.h. Außersinnliche Wahrnehmungen, sollen sowohl im Wachbewusstsein als auch in anderen Bewusstseinszuständen auftreten, z. B. in Trance oder im Schlaf bzw. Traum. Der Intensität nach werden bei außersinnlichen Wahrnehmungen sichere Kenntnis, unbestimmtes Ahnen oder einen Pseudo-Sinneseindruck (Halluzination oder Traum, realistisch oder verschlüsselt) unterschieden.

Das Phänomen der außersinnlichen Wahrnehmung soll nicht nur auf den Menschen begrenzt sein, sondern ist angeblich auch bei Tieren möglich. So wird auch das Verhalten von Katzen, Hunden und Enten bei Untersuchungen der Parapsychologen beobachtet wie z. B. die Unruhe von Tieren vor einem Erdbeben. Inwieweit tierische außersinnliche — paranormale — Wahrnehmungen sich dabei vom Instinkt abgrenzen lassen, ist allerdings unklar.

Geschichte

Bereits aus der Antike sind angebliche außersinnliche Wahrnehmungen dokumentiert worden. So soll, nach dem Bericht von Philostratos, der Philosoph Apollonius von Tyana, in Ephesus weilend, die gleichzeitig in Rom stattfindende Ermordung des Kaisers Domitian miterlebt und geschildert haben.

Der schwedische Gelehrte Swedenborg soll 1756 in einer Vision in Göteborg einen gleichzeitig in Stockholm stattfindenden Brand gesehen haben. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant ließ diese Begebenheit durch einen Freund vor Ort in Schweden mit positivem Ergebnis überprüfen, wovon er in einem Brief vom 10. August 1763 berichtete — jedoch begegnete Kant Swedenborgs angeblichen Visionen aus dem Geisterreich mit Spott und Ablehnung (in: Träume eines Geistersehers, 1766).

Rudolf Steiner, der Gründer der Anthroposophie, erhob für sich den Anspruch, hellsichtig zu sein, in die Zukunft sehen und in der Akasha-Chronik lesen zu können, einer Art ätherischem Weltgedächtnis, in dem alles Wissen über die Vergangenheit gespeichert sein soll. Diese Fähigkeit, die in jedem Menschen angelegt sei, könne durch systematisches Üben unter Anleitung eines Geisteslehrers erreicht werden. Im August 1923 hielt Steiner in Torquay Vorträge, die sich hauptsächlich mit Hellsehen in Theorie und Praxis befassten. Der schwedische Philosoph Sven Ove Hansson verweist allerdings darauf, dass kein anderer Anthroposoph bislang diese Fähigkeit erlangt habe; auch hätten sich Steiners Prophezeiungen, wonach die Naturwissenschaft seine auf paranormale — übernatürlichem — Wege erlangten Einsichten zur Atomphysik, zur Speziellen Relativitätstheorie und zur Syphilistherapie bestätigen würde, nicht erfüllt.

In einer 2011 veröffentlichten Studie legte der amerikanische Sozialpsychologe Daryl J. Bem Belege für naturwissenschaftlich unerklärliches Vorherwissen seiner Probanden und "Zeit-Umkehr" (time-reversing) vor, etwa präkognitive Reaktion auf erotische Stimuli oder besseres Abschneiden in einem Wissenstest, für den die Teilnehmer erst nach der Testung lernten. In späteren Überprüfungen konnten diese Ergebnisse jedoch nicht repliziert werden.

Grenzwissenschaften oder Parawissenschaften

Der Begriff Grenzwissenschaften ist praktisch ein Alternativbegriff zu Parawissenschaften oder auch Kryptowissenschaften verwendet. Ein Beispiel dafür ist der Titel des Buchs "Grenzwissenschaftliche Versuche", in dem es um die Wirkung von Amuletten, Levitation, Geister-Photographie u. ä. geht.

Grenzwissenschaft als Naturwissenschaft mehrerer Wissenschaftsbereiche: Als Grenzwissenschaften werden die Wissenschaftsbereiche bezeichnet, die sowohl zu dem einen als auch zu dem anderen von zwei benachbarten Wissenschaftsbereichen gehören können — Beispiele sind Biophysik (Biologie/Physik), Geographie (Soziologie, Geologie, ...)

Peter Lang, internationale Verlag der Wissenschaften, bezeichnet die "Historische Geographie auf dem Gebiet der lebensweltlichen Umweltforschung" zum Beispiel als Grenzwissenschaft zwischen Geografie und Geschichte.

Das TRB bezeichnet in der Zusammenfassung eines Buchs des Hogrefe Verlags die Kriminologie als Grenzwissenschaft der Wissenschaftsbereiche Strafrecht und Sozialwissenschaft.

Wissenschaft der Grenzen: Die Universität St. Gallen veröffentlichte einen Aufsatz zum Einfluss von Grenzen auf Wirtschaft und die Entwicklung von Räumen. Im Vorwort wird die Regionalwissenschaft (also die Wissenschaft um Regionen) "im gewissen Maße" den Grenzwissenschaften zugeordnet.