Biorhythmus

Biorhythmus, Aberglaube, Pseudo Wissenschaft

Der Biorhythmus bezeichnet in der Mantik — Wahrsagung — die unwissenschaftliche Hypothese, nach der die psysische und interlektuelle Leistungsfähigkeit des Menschen einer Regelmäßigkeit unterliegen, die mit der Geburt beginnen. Das Titelbild zeigt den Biorhythmus in den ersten 66 Tagen nach der Geburt an (nach Swoboda/Fließ).

Dabei unterteilt sich der Biorhythmus in drei wellenartige Rhytmusperioden: 1. körperlicher Rhythmus (23 Tage), 2. emotionaler Rhythmus (28 Tage) und 3. geistiger Rhythmus (33 Tage).

Bei der Geburt sollen diese Biorhythmen wellenartig mit ihrer ersten Periode positiv anfangen, nach einer halben Periodenlänge die Null-Linie überqueren und dann in eine negative Phase gehen. Am Ende der Periode erfolgt wieder ein Umschlag in den positiven Bereich. Alle Übergänge, das heißt von positiv zu negativ und umgekehrt, sollen kritische Tage, also potentiell "schlechte" Tage, sein. Kommt es nun bei allen drei Phasen zu einem Übergang am selben Tag, kann das laut der biorhythmischen Lehre krisenhafte Folgen haben — während das Zusammentreffen positiver Tage besonders gute Tage zur Folge haben soll.

Die Basis für diese simple Rechnung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Wiener Psychologen Hermann Swoboda und den Berliner Arzt Wilhelm Fließ gelegt. Fließ glaubte, in den Krankenakten seiner Patienten übereinstimmend Regelmäßigkeiten entdeckt zu haben und formulierte diese zunächst in seiner Periodenlehre. Sie versuchten, so hinter den "guten" und "schlechten" Momenten eines Lebens eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken.

Der Biorhythmus wiederholt sich alle 23x28x33 Tage, entsprechend etwa 58 Jahren und 2 Monaten, im Laufe eines durchschnittlichen Menschenlebens also maximal einmal.

Hohe Popularität erlangte der Biorhythmus in den 1980er Jahren mit dem Aufkommen der ersten programmierbaren Taschenrechner und Heimcomputer. Das Lebensalter in Tagen und der daraus resultierende Biorhythmuszustand konnte durch einfach zu schreibende und zu bedienende Programme schnell berechnet werden.

Geschichte des Biorhythmus

Der Österreicher Dr. Hermann Swoboda (1873-1963), Professor für Psychologie, verfaßte sein erstes Buch über "Die Perioden des menschlichen Lebens" (1904) und damit die erste Arbeit über den Biorhythmus. Er war der Meinung, das sich Tendenzen abzeichnen. Das ewige Auf und Ab mußte sich doch mathematisch nachvollziehbar sein.

Der nächste Pionier war der Berliner Arzt Dr. Wilhelm Fließ (1858-1938). Sein Buch "Der Lauf des Lebens" (1906) gründete auf die Theorien von Swoboda sowie eigenen die er mit Patienten durchführte. Fließ nannte den 23-Tage-Zyklus den körperlichen bzw. männlichen Zyklus und den 28-Tage-Zyklus als emotional oder weiblich. Einer der größten Bewunderer von Fließ war Sigmund Freud (1856-1939), der ihm in 16 Jahren immerhin 184 Briefe schrieb.

Die These des Biorhytmus wurde erst durch Dr. Alfred Teltscher, einem österreichischen Ingenieur, um den dritten Zyklus von 33 Tagen erweitert, der — wie er behauptete — der geistigen Aktivität entsprach.

Wissenschaftliche Untersuchung des Biorhythmus

In der "Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete" (1977, Nr. 4) findet sich die Abhandlung "Statistische Untersuchungen zur Biorhythmik von Jens Anders. Dabei wurden anhand von 125.844 Sterbefälle untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen den im Biorhythmus behaupteten "kritischen Tagen" und dem Zeitpunkt des Ablebens eines Menschen gibt. Der Zusammenhang konnte nicht nachgewiesen werden — besser gesagt, widerlegt werden.

Die von der Biorhythmik postulierten Langzeitrhythmen sind nicht messbar und wissenschaftlich nicht belegt; so hob sich in einer Studie die Trefferquote bei der Voraussage der Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mittels der Methoden der Biorhythmik in einer Studie, bei der 3.000 Verkehrsunfälle ausgewertet wurden, nicht von statistischen Zufallswerten ab. Quelle: L. Pircher (1972): "Biorhythmik und Unfallprophylaxe" in Epidemiologie, Zeitschrift für Präventivmedizin January 1972, Volume 17, Issue 1, pp 135-140.

Hans Schwing untersuchte 1939 für seine Doktorarbeit 700 Unfälle und 300 Todesfälle und fand heraus, daß sich knapp 60 Prozent der ersten und 65 Prozent der zweiten Gruppe an kritischen Tagen ereignet haben. Schwing klammerte allerdings die intellektuelle Zyklen aus.

Der Amerikaner Dr. Rexford Hersey von der Universität von Pennsylvania untersuchte die Biorhythmus-Zyklen über ein Jahr lang anhand 25 Industriearbeitern. 1931 veröffentlichte er seine Ergebnisse und widerlegte die Theorie des Biorhythmus. Er beobachtete, daß die emotionale Zyklen zwischen 16 und 63 Tagen schwankte, im Durchschnitt also 35 Tage.

Auch Joern J. Bambeck hat eine Untersuchung zum Thema Biorhythmus durchgeführt: Sie hat die Sterbedaten von 1.744 Männern und Frauen aus den Büchern "Die Großen der Welt" und "Gro&szig;e Frauen der Weltgeschichte" sowie 2.100 Männer und Frauen aus Todesanzeigen in der "Süddeutschen Zeitung" biorhytmisch ausgewertet und kam zu einem niederschmetternden Ergebnis: "Das einheitliche Ergebnis aller Prüfungen war, daß an kritischen Tagen keineswegs Menschen häufiger sterben als an nichtkritischen Tagen.".

Die Berliner Medizinerin Silke Langenbach führte ein Vergleich zwischen dem Biorhytmus und Herzinfarkten von 1.641 stationären Patienten durch. Auch sie konnte keinen Zusammenhang zwischen Biorhytmus und Infarkten feststellen.

Einstufung

Der Biorhythmus fällt unter die Kategorie Aberglaube oder Pseudo Wissenschaft wie z.B. die Astrologie oder die Homeopäthie. Die behauptete Theorie konnte widerlegt werden.

Gay Gaer Luce führte eine Untersuchung über den Biorhythmus durch und nannte Wilhelm Fließ einen "himmelschreiend ungebildeten" Mathematiker. Sie räumte aber ein, daß "die zugrundeliegende Idee möglicherweise gar nicht so weit hergeholt ist", und daß unser Geist und Körper wirklich einem Zyklus unterliegt, aber eben nicht den vorgegebenen Zyklen des Biorhythmus. Wir erleben immer ein Auf und Ab unseres Gemütszustandes oder der körperlichen Verfassung, nur eben nicht in den Zyklen des Biorhytmus.